Vom Leben mit Depressionen

Über meine Phobie schreiben, fiel mir leichter. Dazu habe ich genügend Abstand, sie beeinflusst mein Leben kaum noch. Bei der Depression ist das anders. Da habe ich noch keinen Abstand dazu. Da bin ich noch mittendrin. Immer wieder.

Doch gerade deshalb schreibe ich jetzt darüber. Geschwiegen habe ich lange genug. Zu lange war es ein Thema, dass ich mit mir selbst ausgemacht habe. Besser gesagt: Ich habe versucht, es mit mir selbst auszumachen. Irgendwann habe ich angefangen, darüber zu reden. In Therapie, mit Freunden und meiner Familie. Trotzdem: Das Gefühl bleibt. "Da redet man nicht drüber." Wieso eigentlich nicht?

Es hat wohl viel mit Scham zu tun. Wer gibt schon gerne zu, dass es Stunden, Tage, Wochen und Monate gibt, in denen man nicht so "funktioniert" wie sonst. Stunden, in denen man einfach nur im Bett liegen möchte, und sich vor der Welt verstecken. Tage, an denen das Aufstehen schon schwer fällt. Wochen, in denen man gerade so das Nötigste hinbekommt. Monate, denen die Farbe fehlt. In denen man die Welt nur noch in Graustufen sieht.

Ja, manchmal schäme ich mich dafür, dass ich immer und immer und immer wieder in dieses Loch falle. Und immer und immer und immer wieder arbeite ich mich aus diesem Loch heraus. Wieso es trotzdem immer wieder auftaucht? Momentan habe ich keine Antwort darauf. Dazu sehen selbst die bunten Herbstfarben momentan zu oft farblos aus.

Depressionen begleiten mich schon so lange ich mich zurückerinnern kann. Als Kind und vor allem als Jugendliche war ich traurig. Es war eine tiefgehende Verzweiflung, die mich ergriffen hat damals. Irgendwann ist es anders geworden: Die starke Traurigkeit war weg. Dafür habe ich dann nicht mehr viel gefühlt. Und dann kam irgendwann die Angst. Die war stärker als alles andere - erst als die Angst wieder weniger wurde, konnte die Depression wieder mehr zum Vorschein kommen. Und seitdem wechseln sich gute Phasen mit schlechten ab.

Darüber schreiben, fällt schwer. Wie soll man etwas, das man selbst oft nicht richtig greifen kann, in Worte fassen? Wie erklären, dass einem in solchen Phasen alles zu viel ist? Wenn selbst eine simple Nachricht verfassen zu einer beinahe unüberwindbaren Hürde wird? Wenn man nachts wachliegt, weil man in Gedanken immer wieder dasselbe Problem hin- und herwälzt - und am nächsten Morgen nicht aufstehen will, sondern am liebsten den kompletten Tag verschlafen würde? Wie soll man anderen, die das nicht kennen, vermitteln, dass es nichts mit Faulheit zu tun hat, dass man sich nur noch um die wichtigsten Dinge kümmern kann? Wie soll man seinen Freunden erklären, dass es nichts mit Desinteresse zu tun hat, wenn man sich eine Weile lang nicht meldet? Wie kann man sich selbst erklären, dass einem selbst die Dinge, die man am liebsten tut, keine Freude mehr bereiten?

Doch gerade deshalb, weil man es so schwer in Worte fassen kann, will ich es versuchen. Dieser Text heute ist ein Anfang dafür.

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